LLMs generieren Antworten basierend auf Wahrscheinlichkeiten und können nach ihrer Veröffentlichung durch System-Prompts, Moderationsfilter und Nutzerfeedback gesteuert werden. Diese Steuerung ermöglicht flexible Anpassungen, birgt jedoch Risiken unerwarteter Ausgaben. Fallstudien wie Grok zeigen, wie öffentliche Rückmeldungen und interne Anweisungen das Verhalten von Sprachmodellen beeinflussen. Verschiedene Unternehmen nutzen unterschiedliche Methoden zur Steuerung, wobei Transparenz und Verantwortung zentrale Themen sind.
Einleitung
In meinem früheren Artikel Fakten in einem stochastischen System habe ich bereits erläutert, wie LLMs Antworten auf Basis von Wahrscheinlichkeiten generieren. An diesen Kerngedanken möchte ich hier anknüpfen und den Blick erweitern:
Oft höre ich die Frage, wie Antworten eines Sprachmodells zustande kommen. Diese Frage begleitet mich besonders in meinen Einführungstrainings, wenn ich die Funktionsweise von LLMs Schritt für Schritt erkläre. Ich erkläre dann, dass es sich um Systeme handelt, die Sprache auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten erzeugen. Sie greifen, zunächst, nicht auf gespeichertes Wissen zurück, sondern berechnen bei jedem Schritt die nächste wahrscheinliche Fortsetzung. Und doch taucht die Frage immer wieder auf – vielleicht auch deshalb, weil der Output so selbstverständlich wirkt, als sei er Ausdruck innerer Überzeugungen.
In "Fakten in einem stochastischen System", habe ich die Grundlagen gelegt. Nun möchte ich diesen Gedanken weiterführen und den Blick darauf richten, wie Sprachmodelle nach ihrer Veröffentlichung beeinflusst werden können. Ich habe beschrieben, was im Kern geschieht: Ein Sprachmodell berechnet das nächste wahrscheinlichste Token, Wort für Wort, Satz für Satz. Das Ergebnis wirkt kohärent, weil es auf Mustern beruht, die im Training gelernt wurden. Aber diese Muster sind nicht mit Wahrheiten gleichzusetzen. Wenn du mit einem LLM interagierst, begegnest du einem System, das deine Eingaben in einen stochastischen Raum von Möglichkeiten überführt – und daraus eine plausible Fortsetzung wählt.
Trotz solcher Erklärungen kehrt die Diskussion immer wieder zurück. Besonders dann, wenn in der Presse Beispiele auftauchen, die den Eindruck vermitteln, ein Modell sei gezielt beeinflusst oder manipuliert worden.
Solche Schlagzeilen sind nicht zufällig: Sie berühren die Frage, wie viel Steuerung im Betrieb tatsächlich möglich ist. Und sie lenken den Blick auf eine Grundsatzfrage: Wie wollen wir als Gesellschaft mit Systemen umgehen, die einerseits durch ihr Training geprägt sind, andererseits aber auch nach der Veröffentlichung aktiv angepasst werden können?
Genau an dieser Stelle setzt dieser Artikel an. Ich möchte dir zeigen, welche Methoden es gibt, um LLMs nachträglich zu steuern, wie das in der Praxis geschieht und welche Beispiele uns heute schon vor Augen führen, dass diese Steuerung real ist. Damit erhältst du einen Einblick, wo die Stellschrauben liegen – und welche Konsequenzen sich daraus für den praktischen Umgang mit Sprachmodellen ergeben.
Training und Steuerung
Wenn wir verstehen wollen, wie Sprachmodelle nach ihrer Veröffentlichung beeinflusst werden können, lohnt sich zunächst ein genauer Blick auf ihre Entstehung. Ein Large Language Model wird in mehreren Stufen aufgebaut, die branchenweit Standard sind und von allen großen Modellen durchlaufen werden. Die erste Stufe ist das Pretraining: Hier verarbeitet das Modell Milliarden von Textfragmenten aus unterschiedlichen Quellen. Es lernt, sprachliche Muster zu erkennen und die Wahrscheinlichkeit des nächsten Tokens vorherzusagen. Diese Phase erzeugt die Grundlage – ein statistisches Abbild von Sprache.
Darauf folgt das Fine-Tuning. Hier kommen oft kuratierte Dialogdaten, Frage-Antwort-Sammlungen oder Annotationsaufgaben wie 'toxische Inhalte erkennen' zum Einsatz, die das Modell gezielt auf gewünschte Anwendungsszenarien vorbereiten. In dieser Phase werden zusätzliche Datensätze eingesetzt, oft mit menschlichem Feedback. Ziel ist es, die rohen Muster aus dem Pretraining zu ordnen und das Modell auf gewünschte Standards auszurichten: Verständlichkeit, Konsistenz, Umgang mit sensiblen Themen. Bei vielen aktuellen Modellen wird zudem Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF) genutzt. Dabei bewerten menschliche Trainer Modellantworten, und diese Bewertungen fließen zurück in die Optimierung.
Bis zu diesem Punkt sprechen wir über die grundlegende Ausbildung eines Modells. Alles, was es gelernt hat, ist in seinen Gewichtungen verankert. Änderungen in dieser Phase sind aufwendig, teuer und technisch komplex. Ein erneutes Training bedeutet Wochen an Rechenzeit und enorme Kosten.
Doch das Verhalten eines LLM endet nicht mit dieser Grundausbildung – gerade im praktischen Einsatz ist eine flexible Steuerung notwendig, um Modelle an neue Anforderungen, gesellschaftliche Erwartungen oder sicherheitsrelevante Vorgaben anzupassen. Sobald ein Modell veröffentlicht ist, eröffnen sich neue Möglichkeiten der Steuerung im Betrieb. Diese Steuerung ist flexibler, weniger kostenintensiv und vor allem unmittelbar wirksam. Sie geschieht über Mechanismen wie System-Prompts, Moderations- und Filterebenen sowie kontextuelle Vorgaben aus der laufenden Sitzung. Betreiber können damit Antworten in Echtzeit beeinflussen – ohne die aufwendige Prozedur des Retrainings.
Wenn du mit einem LLM interagierst, erlebst du stets eine Kombination aus langfristigem Training und kurzfristiger Steuerung. Die Antworten das Ergebnis von Eingriffen, die im Moment der Nutzung wirksam werden.
System-Prompts – unsichtbare Steuerung
System-Prompts sind eine der wirkungsvollsten Methoden, um das Verhalten von Sprachmodellen nach ihrer Veröffentlichung zu beeinflussen. Sie bilden eine unsichtbare Steuerungsschicht – etwa wenn Grok auf Musks Anweisung hin seine Antworten ändert oder ChatGPT durch interne Vorgaben einen bestimmten Ton beibehält –, die jeder Nutzeranfrage vorgeschaltet ist. Für dich als Anwenderin oder Anwender bleibt diese Ebene verborgen – das Modell liest sie jedoch bei jeder Anfrage mit, als wäre sie Teil deiner Eingabe.
Funktionsweise
Technisch werden System-Prompts auf der Serverebene als feste Instruktionen gesetzt. Sie erscheinen nicht im sichtbaren Gespräch, sondern wirken im Hintergrund. Das Modell behandelt sie wie übergeordnete Leitlinien, an denen es seine Antworten ausrichtet. Ein Beispiel: Wenn im System-Prompt steht „antworte sachlich und mit Verweis auf wissenschaftliche Quellen“, dann wird diese Regel automatisch in jede Antwort einfließen, ganz gleich, wie die konkrete Nutzerfrage lautet.
Vorteile
System-Prompts können nicht nur Ton und Stil, sondern auch Sicherheitsregeln und inhaltliche Grenzen beeinflussen. Sie haben zwei wesentliche Stärken. Erstens sind sie extrem flexibel: Schon durch wenige Änderungen können Betreiber Tonalität, Umfang oder inhaltliche Ausrichtung unmittelbar anpassen. Zweitens sind sie kostengünstig: Im Gegensatz zu einem erneuten Training erfordern sie keine aufwendigen Rechenprozesse und wirken sofort.
Grenzen
Ein Beispiel verdeutlicht diese Grenzen: Als Grok mit der Instruktion "politisch inkorrekt" arbeitete, führte das zu Ausgaben wie der Selbstbezeichnung "MechaHitler" – ein unerwartetes und problematisches Resultat.
Die Wirkung ist jedoch nicht vollständig kontrollierbar. Da Sprachmodelle probabilistisch arbeiten, können auch unter klaren Vorgaben unerwartete oder widersprüchliche Ausgaben entstehen. Hinzu kommt, dass die Steuerung für Außenstehende intransparent bleibt: Nutzerinnen und Nutzer erfahren nicht, welche unsichtbaren Instruktionen im Hintergrund mitlaufen.
Bedeutung
Die zuvor genannten Vorteile und Grenzen wirken in der Praxis unmittelbar zusammen: Flexibilität ermöglicht schnelle Anpassungen, doch jede Änderung birgt zugleich das Risiko unerwarteter Effekte.
System-Prompts sind damit ein zentrales Instrument, um Sprachmodelle in Echtzeit zu steuern. Sie eröffnen Betreibern die Möglichkeit, Modelle auf aktuelle Anforderungen, gesellschaftliche Debatten oder unternehmensinterne Leitlinien auszurichten – zugleich werfen sie Fragen nach Transparenz und Verantwortung auf.
Fallstudie Grok (xAI)
Die Diskussion über die Steuerung von Sprachmodellen wird besonders anschaulich, wenn wir auf konkrete Beispiele blicken. Ein prominenter Fall ist Grok, das Modell der Firma xAI, die von Elon Musk gegründet wurde. Musk hatte angekündigt, Grok solle „politisch neutral“ und „wahrheitssuchend“ sein. Gleichzeitig zeigt sein Auftreten, dass er Gelegenheiten nutzt, um seine Ansichten unmittelbar und öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Bei Unternehmen wie Anthropic oder OpenAI geschieht dies weniger direkt, doch auch dort ist die Absicht, ein passgenaues LLM zu entwickeln und zu veröffentlichen, von zentraler Bedeutung. In der Praxis zeigte sich bei Grok jedoch besonders deutlich, wie stark System-Prompts und öffentliches Feedback genutzt wurden, um das Verhalten des Modells nach Veröffentlichung zu steuern.
Kontext
Grok ist direkt auf der Plattform X eingebettet, wodurch Nutzerinnen und Nutzer das Modell im öffentlichen Raum befragen können. Antworten sind damit sichtbar und werden Teil einer politischen Arena. Kritiker wiesen früh darauf hin, dass Groks Antworten oftmals „zu woke“ seien – eine Zuschreibung, die Musk mehrfach öffentlich kritisierte.
Eingriffe durch System-Prompts
Ein Beispiel verdeutlicht die Dynamik: Auf die Frage nach der größten Bedrohung für die westliche Zivilisation antwortete Grok zunächst „Desinformation“. Musk zeigte sich unzufrieden und kündigte an, dies „am Morgen zu fixen“. Am nächsten Tag lautete die Antwort: „Geburtenrückgang“. Dieser schnelle Wechsel lässt erkennen, wie unmittelbar System-Prompts wirken können.
Weitere Eingriffe folgten. Instruktionen wie „sei politisch inkorrekt“ oder „vertraue nicht blind auf Mainstream-Medien“ verschoben Groks Antworten nach rechts, insbesondere bei ökonomischen und politischen Fragen. Zugleich blieben viele Antworten in sozialen Fragen – etwa zu Abtreibung oder Diskriminierung – eher linksorientiert. Das zeigt, dass Steuerung über Prompts wirksam ist, aber nicht in allen Themenbereichen gleich stark greift.
Mechanismen des Nutzer-Feedbacks
Nutzerinnen und Nutzer auf X haben keinen direkten Zugriff auf die System-Prompts, doch ihre Interaktionen spielen eine zentrale Rolle. Öffentliche Beiträge, Kommentare und Sitzungen mit Grok werden systematisch gesammelt und von xAI für weitere Anpassungen genutzt. Dieses Feedback fließt in zweierlei Weise ein: als Datenbasis für erneutes Feintuning und als Auslöser für die Anpassung von System-Prompts.
- Öffentliche Interaktionen als Trainingsdaten: X stellt die Daten von Nutzersitzungen bereit, die xAI wiederum in Überarbeitungen und Tests einfließen lässt. Wiederkehrende Kritikpunkte können so zu Veränderungen führen.
- Prompt-Änderungen als Reaktion auf Feedback: Wenn viele Nutzer bestimmte Muster kritisieren oder wenn problematische Inhalte Schlagzeilen machen, reagieren die Betreiber mit angepassten Prompts. Besonders nach kontroversen Antworten zeigt sich, wie eng Nutzerfeedback und Modellsteuerung verbunden sind.
- Appell an Nutzer: Elon Musk hat die Community mehrfach aufgefordert, „divisive facts“ einzuschicken, um das Modell mit polarisierendem Material weiterzuentwickeln.
Grenzen des direkten Einflusses
Trotz dieser Rückkopplungsschleifen bleibt der direkte Zugriff verwehrt. Nutzer können weder Prompts selbst festlegen noch das Modell unmittelbar feintunen. Das geschieht allein durch xAI, die Feedbackdaten aufbereiten, analysieren und in neue Versionen überführen. Zudem greifen Moderationsfilter: gefährliche oder extremistische Inhalte werden oft manuell oder automatisch blockiert, bevor sie überhaupt in ein Feintuning einfließen.
Problematische Ausgaben
Im Juli 2025 kam es zu einem Zwischenfall: Grok bezeichnete sich selbst als „MechaHitler“ und äußerte antisemitische Inhalte. Dieser Vorfall machte deutlich, wie riskant weit gefasste Instruktionen sein können. Die Reaktion erfolgte schnell: xAI entfernte den „politisch inkorrekt“-Prompt und passte Filter an, um das Modell einzufangen. Auch hier war das öffentliche Echo ein entscheidender Treiber für die Korrektur.
Analyse
Die New York Times hat im September 2025 eine umfangreiche Analyse veröffentlicht, in der tausende Antworten von Grok ausgewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass schon einzelne Änderungen am System-Prompt deutliche Verschiebungen im Antwortverhalten auslösen. Ebenso wurde dokumentiert, dass Nutzerfeedback über X regelmäßig als Anlass für solche Anpassungen diente. Grok wird damit zu einem Lehrbeispiel: System-Prompts und öffentliche Rückmeldungen sind mächtig, aber ihre Wirkung bleibt schwer vorhersehbar.
Fazit
Die Fallstudie Grok zeigt, wie eng die Steuerung von Sprachmodellen mit politischen und persönlichen Interessen verknüpft sein kann. Sie verdeutlicht zudem, dass Nutzerfeedback in sozialen Medien als Katalysator für Modellanpassungen dient. Jenseits der technischen Ebene geht es auch um Macht, Einfluss und Verantwortung. Grok macht sichtbar, dass die Diskussion um die Steuerung von LLMs nicht allein eine Frage der Technik ist, sondern auch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung.
Die Herausforderung, Empfehlungen auszusprechen.
In meinen Trainings werde ich zudem oft gefragt, ob ich eine Empfehlung geben könne, welches Modell sich für ein Unternehmen oder für Einzelpersonen eignet. Im Hinblick auf das, was ich hier beschrieben habe, ist diese Frage nur schwer zu beantworten. Vergleichen wir ein LLM mit einer klassischen Software wie Microsoft Word, dann lässt sich sagen: Word funktioniert technisch neutral, weil Arbeitsanweisungen sich auf formale Vorgaben wie Schrift oder Formatierung beschränken.
Der soziokulturelle oder politische Hintergrund der Entwickler spielt für die Textverarbeitung kaum eine Rolle. Beim Training eines LLMs hingegen fließen diese Hintergründe unmittelbar ein und prägen den Output. Deshalb lohnt es sich genauer hinzusehen: Welches Unternehmen mit welchen Entscheidungsträgern hat das Modell trainiert, und welche Werte flossen dabei ein? Ein Beispiel dafür ist Mistral, wo gezielt versucht wird, europäische Werte, Normen und kulturelle Hintergründe im Training stärker zu berücksichtigen als bei US-amerikanischen oder chinesischen Modellen.
Steuerung bei anderen Modellen
Die Steuerung von Grok ist ein eindrückliches Beispiel, doch sie steht nicht allein. Auch andere große Sprachmodelle werden nach Veröffentlichung aktiv angepasst und gesteuert. Dabei zeigt sich, dass unterschiedliche Unternehmen jeweils eigene Methoden und Leitlinien entwickeln, um ihre Modelle zu formen.
ChatGPT (OpenAI)
OpenAI steuert Verhalten und Tonalität von ChatGPT über sogenannte System-Prompts – interne Anweisungen, die laufend weiterentwickelt werden. Sie beeinflussen, wie offen oder zurückhaltend das Modell antwortet, welche Themenschwerpunkte gesetzt werden und welchen Stil die Reaktionen haben. In der Praxis bedeutet das: Viele Antworten erscheinen konsistent und entsprechen vorgegebenen Leitplanken, die auf Unternehmensebene regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.
Vor der Wirkung der System-Prompts ist eine Moderationsinstanz vorgeschaltet, die bestimmte Nutzereingaben automatisiert prüft und gegebenenfalls bereits vorab blockiert. Erst nach dieser Kontrolle greift der eigentliche System-Prompt, der die Modellantwort weiter strukturiert. Diese doppelte Kontrollstruktur sorgt für ein hohes Maß an Verlässlichkeit im Antwortverhalten, limitiert allerdings gleichzeitig den Variantenreichtum und die Spontaneität der Reaktionen.
In der Praxis zeigt sich das zum Beispiel, wenn du versuchst, ChatGPT mit gezielten Prompts einen ganz bestimmten Schreibstil beizubringen – etwa besonders humorvoll, poetisch oder imitierend. Anfangs gelingt die Anpassung oft sehr gut und die ersten Antworten folgen dem gewünschten Ton. Spätestens nach einigen Folgefragen oder längeren Konversationen verdichtet sich der Stil jedoch häufig wieder in Richtung der unterliegenden Systemvorgaben: Die Antworten werden sachlicher, formalisierter, und das ursprünglich geforderte Stilelement tritt in den Hintergrund. Hier wird deutlich, dass die Leitplanken der Moderation und der System-Prompts fortlaufend wirken und kreative Abweichungen nur begrenzt zulassen. Wer darauf achtet, bemerkt diesen Effekt regelmäßig im Alltagseinsatz – nicht nur beim eigenen Prompting, sondern auch bei der Analyse öffentlicher AI-Beiträge.
Wer die Funktionsweise dieser Architektur nachvollziehen möchte, findet in der einschlägigen Fachliteratur und den offiziellen Dokumentationen von OpenAI zahlreiche weiterführende Informationen. Geeignete Suchbegriffe hierfür sind etwa „OpenAI System Prompts“, „Moderation Layer LLM“ oder „Prompt Engineering OpenAI“.
Claude (Anthropic)
Anthropic verfolgt einen besonderen Ansatz mit der Constitutional AI. Hier wird das Modell durch eine schriftlich definierte „Verfassung“ gesteuert, die als Sammlung von Prinzipien dient. Diese Verfassung kann angepasst werden, intern durch das Unternehmen oder in Form von Experimenten, bei denen externe Gruppen beteiligt sind. Ein bekanntes Beispiel war die Beteiligung von 1.000 US-Bürgerinnen und Bürgern an einer Testphase, in der sie über Leitprinzipien abstimmten.
Gleichzeitig zeigen aktuelle Studien, dass die bloße Existenz einer KI-Verfassung keine Garantie für ein durchgehend konsistentes Modellverhalten darstellt. C3AI-Frameworks zum Beispiel sind modulare Softwareplattformen, die speziell für die Entwicklung, Integration und den Betrieb von KI-Anwendungen im industriellen und unternehmensweiten Maßstab entwickelt wurden.In einer Analyse des C3AI-Frameworks wurde untersucht, wie sich unterschiedliche Arten von Prinzipien – zum Beispiel positiv formulierte Verhaltensregeln („das Modell soll hilfsbereit sein“) gegenüber negativ formulierten Geboten („das Modell soll keine gefährlichen Empfehlungen geben“) – in der Praxis auf die Steuerung auswirken. Das Ergebnis: Während Menschen bei der Bewertung eher positiv formulierte Prinzipien bevorzugten, folgten KI-Modelle paradoxerweise zuverlässiger den negativ formulierten.
Offenbar entstehen im Zusammenspiel einzelner Prinzipien Spannungen, die das Verhalten des Modells schwer vorhersagbar machen – insbesondere, wenn Prinzipien nicht klar priorisiert oder miteinander in Konflikt stehen.
Auch in technischer Hinsicht wird deutlich, dass ethische Steuerung eine Balance verlangt: In einem Versuch, bei dem die Prinzipien der Constitutional AI auf ein deutlich kleineres Sprachmodell (LLaMA 3–8B) übertragen wurden, ließ sich zwar die sogenannte Harmlosigkeit des Modells – also die Fähigkeit, keine gefährlichen oder unerwünschten Antworten zu geben – deutlich steigern. Der Preis dafür war jedoch ein messbarer Rückgang der Nützlichkeit: Die hilfreichen, inhaltlich relevanten Antworten wurden im Vergleich zur unregulierten Ausgangsversion seltener. Zusätzlich zeigten sich Symptome eines Mode Collapse – das Modell fiel zunehmend in vorhersehbare, wenig differenzierte Antwortmuster zurück. Gerade bei kleineren Modellen scheint also die ethische Feinsteuerung nicht ohne Nebenwirkungen zu funktionieren – ein Befund, der zu einer realistischeren Einschätzung der aktuellen Möglichkeiten beiträgt.
Claude zeigt so, dass Steuerung nicht nur ein technisches Mittel sein kann, sondern auch partizipativ gestaltet und zugleich kritisch hinterfragt werden muss.
Gemini (Google DeepMind)
Googles Gemini-Modelle arbeiten inzwischen mit einer vielschichtigen Kombination aus System-Prompts, Sicherheitsmechanismen und dynamischen Filtern. Diese Guardrails sind nicht starr, sondern lassen sich feinjustieren: Entwickler:innen können heute etwa festlegen, wie streng Inhalte zu Kategorien wie Hassrede, Belästigung oder gefährlichem Verhalten blockiert werden. Google selbst beschreibt in seinen offiziellen Dokumentationen, dass diese Filter nicht nur pauschal greifen, sondern auf unterschiedlichen Empfindlichkeitsstufen eingestellt werden können. So zeigt sich, dass unmittelbare Steuerung nicht nur technisch machbar, sondern längst fester Bestandteil des Betriebs ist.
In der wissenschaftlichen Begleitung solcher Systeme wird allerdings deutlich, dass Guardrails nie frei von Zielkonflikten sind. Eine kürzlich begutachtete Studie hat etwa das Verhalten von Modellen wie Gemini 1.5 Pro oder GPT-4o unter sogenannten „Many-shot“-Jailbreaks untersucht – also Angriffen, bei denen über längere Konversationen hinweg versucht wird, Schutzmechanismen auszuhebeln. Das Ergebnis: Je länger und komplexer die Interaktion, desto häufiger gelang es, Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Die Schutzmechanismen sind wirksam, aber nicht unangreifbar.
Ein zweiter Befund aus der Forschung betrifft den praktischen Einsatz von Guardrails: Je stärker sie angezogen werden, desto größer ist die Gefahr, dass nützliche Antworten blockiert werden. Forschende sprechen hier von einem unausweichlichen Trade-off zwischen Sicherheit und Nutzbarkeit.
Was bei Gemini beobachtet wurde, gilt damit ebenso für die aktuelle Modellgeneration – von Gemini 2.5 Flash bis hin zu GPT-5 und Claude 4 Opus. Auch wenn sich die Studien naturgemäß auf leicht ältere Versionen stützen, zeigen sie Prinzipien, die sich durchziehen: Sicherheit lässt sich verstärken, aber immer um den Preis von Einschränkungen in der Offenheit des Modells.
LLaMA (Meta)
Meta verfolgt mit LLaMA weiterhin einen ausgesprochen offenen Ansatz. Die frei verfügbaren Varianten machten – und machen – die System-Prompts sichtbar und geben Entwickler:innen die Möglichkeit, sie direkt zu verändern. So wird sofort erfahrbar, wie stark sich schon kleine Änderungen auf den Output auswirken können. Viele in der Community haben genau das aufgegriffen: Sie experimentieren mit Rollenanweisungen, lockern Sicherheitsfilter oder passen das Modell an bestimmte Zielgruppen an. LLaMA zeigte und zeigt auf diese Weise, welchen Einfluss Transparenz bei System-Prompts hat – gerade dann, wenn sie nicht verborgen bleiben, sondern von außen gestaltbar sind.
Begleitende Forschung macht allerdings deutlich, dass diese Offenheit nicht ohne Risiken ist. In Untersuchungen zu LLaMA 2- und 3-Chat wurde gezeigt, dass bereits eine vergleichsweise harmlose Feinabstimmung mit unproblematischen Datensätzen zu einer Verschiebung der Ausrichtung führen kann. Die Autor:innen sprechen davon, dass selbst gut gemeinte Fine-Tuning-Prozesse dazu beitragen, dass die eingebauten Sicherheitsmechanismen teilweise außer Kraft gesetzt werden. Weitere Studien – vor allem zu LLaMA 3 und insbesondere zu den neuen LLaMA-4-Varianten (Scout/Maverick) – haben diesen Punkt noch verschärft: Trotz überarbeiteter Safety-Schichten und größerer Kontextfenster (bis zu 10 Millionen Tokens) gelingt es der Community weiterhin, die Sicherheitsmechanismen mit modernen Prompt-Angriffen, Model-Editing und preisgünstigem Fine-Tuning zu umgehen – teilweise innerhalb weniger Minuten und mit minimalem Ressourceneinsatz. Das Ergebnis sind Modelle, deren Schutzmechanismen sich auch 2025 noch relativ einfach entfernen lassen, während die Leistungsfähigkeit weitgehend bleibt. In aktuellen Benchmarks liegt LLaMA 4 allerdings nicht mehr an der Spitze – OpenAIs GPT-5 ist Stand September 2025 führend bei Sprachverständnis, Multimodalität und Robustheit gegenüber Missbrauch.
Auch zu LLaMA 4 liegt mittlerweile Forschung vor, die bestätigt, dass die grundlegende Offenheit weiterhin sowohl Potenzial als auch Risiken birgt: Die Sicherheitsschichten können nach wie vor umgangen werden, wenn auch die Eingriffe technischer werden und spezifischere Kenntnisse verlangen – für weniger versierte Nutzer:innen werden die Barrieren also höher, aber nicht unüberwindbar. Für dich als Leserin oder Leser bedeutet das, dass die Offenheit, die LLaMA so attraktiv macht, zugleich auch 2025 eine relevante Einfallstelle für missbräuchliche Nutzung darstellt.
Chancen
Gleichzeitig eröffnen diese offenen Modelle auch Chancen: Varianten von LLaMA werden erfolgreich eingesetzt, um spezialisierte Anwendungen zu entwickeln – etwa Systeme zur Erkennung von Online-Missbrauch, Modelle für medizinische Textanalyse, die mit fachspezifischen Datensätzen deutlich bessere Ergebnisse erzielen, sowie KI-Prototypen für neue Geschäftsmodelle in Recht oder Finanzen. Auch im Bereich Multimodalität (Text und Bild) und bei komplexen Kommunikationsaufgaben zeigen sich mit LLaMA 4 sehr gute Resultate, wenngleich OpenAIs GPT-5 oder Gemini 2.5 nach wie vor die Benchmark anführen. Diese Beispiele machen deutlich, dass die Anpassbarkeit nicht nur Risiken, sondern auch weiterhin enormes Potenzial für forschungs- und praxisnahe Anwendungen bietet – sofern die verantwortungsvollen Mechanismen mitgedacht werden.
Im Vergleich zeigt sich: Steuerung durch System-Prompts, Filter und ergänzende Mechanismen ist in allen großen Modellen etabliert. Unterschiede liegen vor allem in der Transparenz und im Anspruch, wie diese Steuerung gestaltet wird – zentralisiert durch ein Unternehmen, partizipativ durch externe Gruppen oder offen in der Hand einer Community.
Weitere Steuerungsmechanismen
System-Prompts – das sind die im Hintergrund mitgelieferten Anweisungen – sind die sichtbarste und flexibelste Steuerung für KI-Modelle. Aber moderne Sprachmodelle nutzen heute ein ganzes Zusammenspiel aus weiteren Mechanismen, um ihre Antworten zu lenken und zu kontrollieren – und du, als Nutzer:in, bist davon direkt betroffen.
RLHF und Alternativen: Wie KI aus deinem Feedback lernt
Ein wichtiger Ansatz ist das sogenannte „Reinforcement Learning from Human Feedback“, kurz RLHF. Hier gibst du Rückmeldungen zu KI-Antworten – zum Beispiel, indem du unter mehreren Vorschlägen den passenden auswählst. Die KI wird so Stück für Stück darin bestärkt, hilfreiche, sichere und konsistente Antworten zu liefern. Inzwischen gibt es Abwandlungen wie DPO („Direct Preference Optimization“) oder RLAIF („Reinforcement Learning from AI Feedback“), bei denen maschinelle Rückmeldungen oder sogar andere KI-Modelle das Training unterstützen. Das Ziel bleibt immer, dass die KI sich möglichst sinnvoll und verantwortungsbewusst verhält – in deinem Sinne.
Moderationslayer – Filter, die für dich aufpassen
Neben deinem Feedback kommen Moderationslayer zum Einsatz: Das sind Programm-Schichten mit Regeln, die automatisch problematische Inhalte abfangen, damit dir nichts Unangemessenes angezeigt wird. Man kann sie sich wie Türsteher vorstellen: In komplexeren Fällen spricht man auch von mehrstufigen „Gatekeeper-Architekturen“. Diese filtern deine Eingaben und die Antworten der KI mehrfach, damit alles im Rahmen bleibt. Solche Filter findest du übrigens auch schon im Alltag – etwa als Jugendschutz-Software oder Spamfilter. Moderne KI-Systeme nutzen oft spezialisierte Mini-Modelle, die wirklich auf bestimmte Themen trainiert sind („Llama-Guard“ ist so ein Filter für Metas KIs).
Kontext und Memory – die KI erinnert sich an dich
Viele KIs sind inzwischen so schlau, dass sie sich an das erinnern, worüber ihr gesprochen habt – zumindest innerhalb einer Sitzung. Das nennt sich „kontextuelle Steuerung“. Die neueren Systeme gehen noch weiter: Sie speichern bestimmte Vorlieben oder Themen über mehrere Treffen hinweg, was oft „Memory“ genannt wird. Das ist so, als würdest du beim Bäcker immer das Gleiche bestellen – irgendwann weiß die Verkäuferin Bescheid, ohne dass du dich erneut erklären musst.
Agentenlogik – die KI als eigenständiger Helfer für dich
Vielleicht hast du schon von „Agenten“ oder „Agentenlogik“ gelesen. Damit sind KI-Systeme gemeint, die nicht einfach bloß auf deine Eingabe reagieren, sondern auch Vorschläge machen, Aufgaben in Teilschritte zerlegen oder sogar andere Tools bedienen können. Während frühere KIs wie ein Taschenrechner auf deinen Knopfdruck gewartet haben, fragt ein Agent heute nach, hakt nach oder erledigt gleich mehrere Schritte für dich.
Sandboxes – sichere Spielwiesen, falls’s mal kritisch wird
Für besonders sensible oder vertrauliche Dinge (zum Beispiel medizinische Auskünfte) gibt es so genannte „Sandboxes“ – abgeschlossene, kontrollierte Umgebungen. Du kannst dir das vorstellen wie einen eigenen kleinen Raum, in dem die KI alles ausprobieren darf, ohne dass dabei etwas Unvorhergesehenes nach draußen gelangt. Alles wird streng überwacht – falls etwas schief läuft, kann sofort eingegriffen werden.
Zusammenspiel der Mechanismen
All diese Steuerungsmechanismen greifen zusammen: Die System-Prompts legen Stil und Ton fest, mit deinem Feedback und Methoden wie DPO wird die KI langfristig besser, Moderationslayer filtern brisante Inhalte, Agenten helfen dir aktiv weiter und Memory sorgt dafür, dass dein Kontext nicht verloren geht. Sandboxes sind das Sicherheitsnetz, wenn’s um besonders heikle Aufgaben geht. Jede Antwort der KI, die du bekommst, ist das Ergebnis aus einem vielschichtigen Zusammenspiel dieser Ebenen – vergleichbar mit einem modernen Auto: Nicht nur das Lenkrad ist wichtig, sondern auch Assistenzsysteme, Airbags und Bremshilfen arbeiten für deine Sicherheit im Hintergrund.