Die Analyse von Gesprächen mit KI zeigt, dass die Ergebnisse stark von den Erwartungen und Fragestellungen der Nutzer abhängen. KI spiegelt das Denken der Nutzer wider, indem sie Wahrscheinlichkeiten und nicht objektive Wahrheiten liefert. Es ist wichtig, die Ausgaben von KI als Meinungen zu betrachten und sich der eigenen Denkmuster bewusst zu sein, um echte Reflexion zu fördern. KI sollte als Resonanzraum genutzt werden, der die eigenen Gedanken bestätigt oder inspiriert.

Wie Large Language Models unsere Gesprächsanalysen spiegeln – und was das über uns verrät

(Eine Reflexion nach Robert Anton Wilson)


1. Wenn KI beginnt, dich zu spiegeln

In meinen Workshops empfehle ich den Teilnehmenden oft, ihre Gespräche aufzuzeichnen – zum Beispiel über Zoom – und anschließend mit Tools wie Fathom oder GPT-basierten Assistenten Transkripte erstellen zu lassen. Das ist eine wunderbare Möglichkeit, die eigene Kommunikation sichtbar zu machen.

Doch manchmal passiert dabei etwas Überraschendes:

Zwei Personen analysieren dasselbe Gespräch – und bekommen völlig unterschiedliche Ergebnisse. Die eine KI-Auswertung lobt Empathie und Klarheit, die andere betont Unsicherheiten oder fehlende Struktur. Ich beobachte solche Effekte regelmäßig und frage mich dann: Wer spricht hier eigentlich – die KI oder der Mensch, der sie fragt?

Robert Anton Wilson hätte darauf wahrscheinlich geantwortet: Was der Denker denkt, wird der Beweisführer beweisen.


2. Der Denker und der Beweisführer

In Der neue Prometheus beschreibt Wilson unser Denken als Zusammenspiel zweier innerer Kräfte:

  • Der Denker formt Annahmen, Überzeugungen und Weltbilder.
  • Der Beweisführer liefert unaufhörlich Argumente, Belege und Beispiele, um genau diese Überzeugungen zu stützen.

Das Spannende daran ist: Beides geschieht fortlaufend und weitgehend unbewusst. Wenn du also glaubst, dein Gespräch sei strukturiert gewesen, findest du Beweise für Struktur. Glaubst du, du hättest dich verheddert – findest du dafür ebenfalls Hinweise.

KI-Systeme funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip. Auch sie beweisen, was du denkst – nur nennen wir es hier Prompting.


3. Vom Gehirn zum Prompt

Wenn du verstehen möchtest, wie Sprache unsere Wahrnehmung prägt, findest du im Beitrag „Transformationsgrammatik: Tilgungen, Verzerrungen und Generalisierungen“ die theoretische Grundlage bei Noam Chomsky.

Robert Anton Wilson erweitert diesen Gedanken: Nicht nur Sprache, sondern auch Denken selbst strukturiert Realität.

Deshalb spiegelt dir eine KI das, was du ihr vorgibst:

Sagst du „Analysiere, was im Gespräch nicht optimal lief“, aktiviert das System einen kritischen Suchmodus. Sagst du „Zeig mir, was besonders gut funktioniert hat“, findet es Stärken.

Der Prompt wird damit zu einem Spiegel deines Denkens. Und was die KI daraufhin schreibt, ist nicht einfach Analyse – es ist in gewisser Weise dein eigenes mentales Echo.


4. Über Wahrheit und Wahrscheinlichkeit

Viele Anwenderinnen und Anwender nehmen die Ausgaben einer KI als objektive Wahrheit – und genau hier lohnt sich das Innehalten.

Ein Sprachmodell liefert keine Wahrheit, sondern Wahrscheinlichkeit.

Es rekombiniert das, was in Trainingsdaten und Sprachmustern plausibel ist.

Wenn die KI also dein Gespräch bewertet, dann nicht auf Grundlage einer „Wirklichkeit“, sondern auf Basis ähnlicher Formulierungen, die Menschen zuvor verwendet haben. Das Ergebnis kann stimmig wirken, ohne objektiv richtig zu sein.

Ich lasse mich gerne davon leiten: Ein LLM liefert keine Urteile – es liefert Spiegelbilder.


5. Der Reality Tunnel

Wilson nannte diesen Mechanismus den Reality Tunnel – eine Art Wahrnehmungsbrille, die unser Denken formt.

Wir alle sehen die Welt durch Filter aus Erfahrungen, Emotionen und Sprache.

KI-Systeme haben ebenfalls solche Tunnel: Ihre Filter bestehen aus Trainingsdaten, Webtexten und menschlichen Annotationen. Sie sehen nicht die Welt, sondern ein statistisch erzeugtes Abbild davon. Wenn du also eine Auswertung liest, betrachtest du nicht nur das Gespräch, sondern zwei Reality Tunnels gleichzeitig – den eigenen und jenen des Modells.


6. Reflexion statt Interpretation

Wenn du in Zukunft eine KI nutzt, um Gespräche auszuwerten, probiere Folgendes:

  • Halte kurz inne, bevor du liest. Frag dich: „Was hoffe ich zu sehen?“
  • Lies das Ergebnis wie eine Meinung, nicht wie eine Wahrheit.
  • Achte auf deinen Prompt. Welche Haltung klingt daraus?
  • Formuliere alternativ: Statt „Was lief falsch?“ frage „Welche Lernmöglichkeiten zeigt dieses Gespräch?“

Mit dieser kleinen Bewusstheit verschiebst du den Fokus von Urteil zu Erkenntnis. Und genau hier beginnt echte Reflexion – nicht bei der KI, sondern bei dir.


7. Zum Schluss

Während Chomsky erklärt, wie Sprache Denken formt, zeigt uns Wilson, wie Denken Realität erschafft – und wie algorithmische Systeme diesen Prozess heute spiegeln.

Wenn du also das nächste Mal eine KI für die Gesprächsanalyse nutzt, sieh sie nicht als Richterin, sondern als Resonanzraum.

Sie beweist, was du denkst – und du entscheidest, ob du dich davon bestätigen oder inspirieren lässt.

Denn, um Wilson leicht zu paraphrasieren:

Unsere Gehirne, unsere Prompts und unsere KIs – alles sind Werkzeuge, an denen wir weiterarbeiten dürfen.