Generative KI sollte nicht nur zur Effizienzsteigerung genutzt werden, sondern auch zur Neugestaltung von Arbeitsprozessen. Durch First-Principles-Denken und das Konzept der Jobs-to-be-done können Gespräche zielgerichteter und wirkungsvoller gestaltet werden, indem der Fokus auf den tatsächlichen Fortschritt und die Absicht hinter der Kommunikation gelegt wird.
Führung, Sprache und Zusammenarbeit in Zeiten generativer Systeme
Kapitel 1: Mehr als nur schneller – warum KI unser Denken verändern muss
Geschwindigkeit allein ist kein Fortschritt
Stell dir vor, du bekommst ein neues Werkzeug an die Hand, das dir jede Aufgabe in Rekordzeit erledigt. Klingt gut? Ja. Aber was, wenn du gar nicht mehr hinterfragst, welche Aufgabe du eigentlich lösen willst – und warum sie überhaupt wichtig ist? Geschwindigkeit hilft nur dann, wenn das Ziel klar ist. Sonst optimieren wir Prozesse, deren strategischer Nutzen längst fragwürdig geworden ist.
Genau hier beginnt das Problem vieler Unternehmen im Umgang mit generativer KI. Die meisten betrachten sie als Effizienzmaschine: schneller schreiben, schneller recherchieren, schneller kommunizieren. Doch Geschwindigkeit allein bringt noch keine bessere Entscheidung, keine klügere Kommunikation und schon gar keine Transformation.
Ein Perspektivwechsel mit Substanz
In diesem Artikel möchte ich dich dazu einladen, einen Schritt zurückzutreten. Statt KI lediglich in bestehende Prozesse einzubauen, wagen wir gemeinsam einen Perspektivwechsel: Wie würde dein Arbeitsbereich aussehen, wenn du von Grund auf neu denken könntest? Ohne alte Routinen, ohne festgetretene Strukturen – stattdessen mit einem Blick für das Wesentliche.
Dieser Gedanke steht im Zentrum des sogenannten First-Principles-Denkens. Ein Konzept, das aus der Naturwissenschaft stammt, insbesondere aus der Physik, und durch Denker wie Aristoteles geprägt wurde. In der Technikentwicklung wurde es beispielsweise bei der frühen Raumfahrt angewandt, als Ingenieurteams nicht vorhandene Flugzeugmodelle anpassten, sondern Raumfahrzeuge komplett neu konzipierten – basierend auf der Frage, welche Bedingungen nötig sind, um einen Menschen sicher ins All zu bringen. Statt auf bestehende Lösungen zu bauen, zerlegt man ein Problem in seine grundlegenden Bestandteile und denkt von dort aus neu.
Standardprozesse hinterfragen
Klingt theoretisch? Ist es aber nicht. Denn gerade in der Kommunikation – ob im Verkauf, in der Führung oder in der Teamarbeit – erleben wir oft, wie stark uns gewohnte Abläufe einengen. Ein Verkaufsprozess folgt Checklisten – etwa: Erstkontakt herstellen, Bedarf ermitteln, Angebot platzieren. Ein Mitarbeitergespräch orientiert sich oft an Standardfragen wie: „Was lief gut? Was kann besser werden?“ – alles sinnvoll, aber oft zu mechanisch. Was dabei leicht verloren geht, ist das eigentliche Anliegen hinter dem Gespräch. Doch was wäre, wenn wir zuerst fragen: Was ist hier eigentlich der Sinn des Gesprächs? Welcher Fortschritt soll möglich werden?
Jobs-to-be-done: Vom Produkt zum Zweck
Diese Denkweise führt uns zu einem zweiten, sehr wirkungsvollen Konzept: den sogenannten Jobs-to-be-done. Ursprünglich von Clayton Christensen eingeführt, einem Professor der Harvard Business School, der den Begriff in seinem Buch The Innovator’s Solution prägte: Kunden kaufen Produkte, um Fortschritte zu erzielen – also Jobs zu erledigen, für die sie „jemanden oder etwas anstellen“. Dieser Ansatz hilft, nicht das Produkt oder die Methode in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Ziel, das jemand mit einer Handlung verfolgt. Anders gesagt: Menschen kaufen keine Bohrmaschine, sondern ein Loch in der Wand.
Übertragen auf unsere Arbeit mit KI bedeutet das: Wir sollten nicht fragen, wie KI helfen kann, sondern wofür. Welchen Fortschritt wollen wir ermöglichen? Welche Entscheidungen vorbereiten? Welche Kommunikation führen? Und was würde ein „KI-Kollege“ tun, wenn er genau diesen Job zu erfüllen hätte? Eine Frage, die wir im späteren Verlauf dieses Artikels noch vertiefen werden – denn sie eröffnet einen völlig neuen Blick auf unser Kommunikationsverhalten.
Ausblick: Kommunikation, die zählt
In den kommenden Kapiteln zeige ich dir, wie wir diese Prinzipien konkret nutzen können. Für klarere Gespräche. Für wirksamere Führung. Und für eine Kommunikation, die nicht schneller wird, sondern besser.
Denn in einer Zeit, in der Maschinen nahezu alles sagen können, gewinnt die Frage an Bedeutung, warum wir etwas sagen. Und genau da beginnt unser gemeinsamer Denkprozess.
Kapitel 2: First Principles in der Kommunikation – Was steckt wirklich hinter deinem Gesprächsziel?
Denk neu: Kommunikation beginnt nicht mit Fragen, sondern mit Prinzipien
Wenn wir über Kommunikation sprechen, denken viele zuerst an Techniken: aktives Zuhören, offene Fragen, passende Sprache. Doch bevor wir darüber nachdenken, wie wir etwas sagen, sollten wir klären, wozu wir überhaupt sprechen. Welches Primärziel steht hinter dem Gespräch? Viele Gespräche scheitern oder verlaufen wirkungslos, weil dieses Ziel nicht explizit benannt oder überhaupt bewusst gemacht wurde. Geht es um Entscheidung, Vertrauen, Motivation oder um das Klären einer Unsicherheit?
In meinem Artikel über das "Primärziel in der Kommunikation" beschreibe ich, wie stark die Wirkung eines Gesprächs davon abhängt, ob dieses Ziel bewusst ist – und ob es mit dem formulierten Inhalt überhaupt übereinstimmt.
Genau an dieser Stelle setzt das First-Principles-Denken an: Es hilft uns, ein Gespräch nicht von seinen Oberflächenmerkmalen her zu betrachten, sondern von seinem innersten Zweck aus. Was genau soll durch dieses Gespräch erstmals möglich oder greifbar werden? Erst wenn das klar ist, kann sich alles Weitere sinnvoll darauf ausrichten.
Das Konzept stammt ursprünglich aus der Physik und beschreibt die Methode, ein Problem so weit zu zerlegen, bis nur noch die elementaren Bestandteile übrig sind. Von dort aus beginnt man, neue Lösungswege zu denken. Anstatt sich also an bestehenden Mustern und Gewohnheiten zu orientieren, fragen wir: Was ist das eigentliche Ziel dieses Gesprächs? Was soll danach möglich sein, das vorher nicht war?
Vom Gespräch zur Wirkung
Ein Beispiel: Ein klassisches Vertriebsgespräch beginnt oft mit einer Bedarfsanalyse und endet mit einem Angebot. Doch wenn wir uns fragen, was wir eigentlich erreichen wollen, könnte das Ziel ganz anders lauten: "Ich möchte, dass mein Gegenüber eine Entscheidung trifft, die sich für beide Seiten langfristig richtig anfühlt." Oder: "Ich will, dass Vertrauen entsteht, weil das die Basis für jedes weitere Gespräch ist."
Solche Ziele sind First Principles der Kommunikation. Sie formulieren den Grund, warum das Gespräch stattfindet. Und genau diese Haltung verändert alles: die Vorbereitung, die Wortwahl, die Dramaturgie des Gesagten.
Raus aus der Routine, rein in die Absicht
Viele Gespräche in Führung und Vertrieb verlaufen nach Routine. Man hakt Punkte ab, folgt einer Agenda, bleibt effizient. Doch die wirklich wirkungsvollen Gespräche sind oft die, in denen jemand loslässt von der Struktur und sich auf das Gegenüber einlässt. Das geht nicht ohne innere Klarheit darüber, warum dieses Gespräch jetzt gerade wichtig ist.
First Principles helfen dir, diese Klarheit zu finden. Statt zu sagen: "Ich möchte, dass der Kunde mein Produkt versteht," könntest du sagen: "Ich will, dass der Kunde sich sicher fühlt, die nächste Entscheidung zu treffen." Das ist nicht nur empathischer, sondern auch wirksamer.
Der Transfer in die Praxis
Wenn du ein Gespräch vorbereitest, versuch einmal Folgendes: Frag dich nicht zuerst, welche Informationen du weitergeben willst, sondern: Was soll sich beim anderen verändern? Soll er etwas verstehen, entscheiden, hinterfragen, loslassen? Diese Zielverlagerung schärft deinen Fokus.
First Principles zu denken heißt nicht, Gespräche zu vereinfachen. Es heißt, sie auf ein echtes Fundament zu stellen. Eines, das tragfähig bleibt, auch wenn sich Tools, Agenden oder Rollen ändern. Und genau das brauchst du, wenn du mit oder ohne KI Gespräche führen willst, die zählen.
Kapitel 3: Jobs-to-be-done im Vertriebs- und Führungsalltag anwenden
Von Absicht zur Struktur: Wie du Gespräche mit JTBD klärst
Wenn das First-Principles-Denken das Warum eines Gesprächs sichtbar macht, dann liefern die Jobs-to-be-done(JTBD) die Antwort auf das Wozu genau. Und genau darin liegt der Unterschied zwischen einem netten Austausch und einem Gespräch, das wirklich etwas bewegt – zum Beispiel im Vertriebsmeeting, wenn plötzlich klar wird, dass es nicht um Produktinformationen geht, sondern um die Frage: „Welcher Fortschritt wird für den Kunden spürbar?“ Sie fassen zusammen, welchen Fortschritt eine Person oder ein Team erreichen will – unabhängig davon, welche Methode, Technologie oder Person dabei hilft.
Ursprünglich stammt der Begriff aus der Innovationsforschung und wurde von Clayton Christensen bekannt gemacht. Es geht dabei nicht darum, welche Lösung jemand nutzt, sondern welchen Fortschritt er oder sie erzielen möchte. Wenn du diesen Gedanken einmal auf dich wirken lässt, wirst du merken: Das verschiebt den Fokus – weg von Methoden, hin zu echten Zielen. Und genau darin liegt eine stille Kraft für deine tägliche Kommunikation.
Im Vertriebs- und Führungskontext hilft dieses Denken enorm: Statt Gespräche als Informationsaustausch oder Pflichttermin zu sehen, erkennst du sie als Mittel für Entwicklung. Und genau dieser Fortschritt wird mit JTBD sichtbar und formulierbar.
Drei Ebenen der Anwendung – strategisch denken, praktisch handeln
Jobs-to-be-done lassen sich auf drei Ebenen anwenden:
- Strategisch: Was will das Unternehmen oder das Team langfristig ermöglichen? (z. B. „Marktzugang sichern, damit wir unabhängiger von Einzelkunden werden.“)
- Operativ: Was soll in einer Abteilung konkret verbessert oder erreicht werden? (z. B. „Die Abschlussquote steigern, damit wir stabiler planen können.“)
- Taktisch: Was genau soll in einem einzelnen Gespräch passieren? (z. B. „Verstehen, welche drei Kriterien für die Kaufentscheidung entscheidend sind.“)
Wenn du ein Gespräch vorbereitest, kannst du diese Ebenen kombinieren und aus jedem JTBD eine Art Handlungsanker machen. Stell dir vor, du führst ein Strategiegespräch mit deinem Team: Du klärst zunächst auf strategischer Ebene, welchen Beitrag ihr zur Gesamtvision leisten wollt. Daraus leitest du auf operativer Ebene ab, welche Kunden oder Prozesse besonders im Fokus stehen sollten. Und schließlich formulierst du für das Gespräch selbst ein taktisches Ziel, zum Beispiel: „Ich will verstehen, warum Kunde X zuletzt nicht verlängert hat – damit wir das im nächsten Pitch berücksichtigen können.“
Vom Gesprächsziel zur konkreten Wirkung
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Vertrieb. Du willst nicht einfach nur „Bedarf ermitteln“. Das ist eine Aktivität. Als JTBD klingt das anders: „Ich will die Denkweise des Kunden verstehen, damit ich Lösungen so anbieten kann, dass sie sich für ihn stimmig anfühlen.“
Oder in der Führung: Statt „Feedback geben“, sagst du: „Ich will, dass meine Mitarbeiterin erkennt, wie sie mit kleinen Veränderungen große Wirkung erzielen kann – damit sie sich selbstwirksam erlebt.“
Durch diese Umformulierung entsteht ein neuer Fokus: Du sprichst nicht mehr über Themen, sondern über Entwicklungsschritte. Das macht das Gespräch nicht nur menschlicher und tragfähiger, sondern auch messbarer – etwa durch klare Zielvereinbarungen, fokussierte Follow-ups oder eine gezielte Reflexion im Anschluss. So entsteht aus einem Dialog ein nachvollziehbarer Entwicklungsschritt. Denn wer ein Gespräch auf ein konkretes Entwicklungsziel hin ausrichtet, kann daraus klare Handlungsziele ableiten – eine Methode, die ich auch im Artikel über Remedial Coaching im Live-Gespräch näher beschrieben habe. Besonders im Alltag von Führung und Vertrieb entsteht so eine Sprache, die führt – ohne zu dominieren.
JTBD als Wegweiser für den gezielten KI-Einsatz
Auch in der Arbeit mit generativer KI sind JTBD ein starker Hebel: Ohne klare JTBD-Ziele tendieren viele KI-Anwendungen dazu, beliebige Outputs zu erzeugen – korrekt formuliert, aber ohne Richtung. Wenn dagegen klar ist, welchen Fortschritt du unterstützen willst, wird die KI zu einem echten Partner in der Strukturierung, Analyse und Entscheidungsunterstützung. Sie hilft dir zu erkennen, wo KI sinnvoll unterstützen kann – und wo sie nichts verloren hat.
Denn KI entfaltet ihre Stärken dort, wo kognitive Transformationen gefordert sind: etwa bei Analysen, Mustererkennung, Strukturierung oder Argumentationslinien. Doch damit diese Potenziale nicht ins Leere laufen, braucht es ein klares Verständnis für das kommunikative Ziel. In meinem Artikel über Künstliche Intelligenz vs. kritische Intelligenz beschreibe ich ausführlich, wie du KI souverän steuerst, statt ihr blind zu vertrauen – und warum JTBD dabei helfen, die Kontrolle über deinen Kommunikationsprozess zu behalten.
Wenn du also weißt, was du erreichen willst (z. B. „die relevanten Entscheidungsmuster im Buying Center erkennen“), kannst du viel besser entscheiden, ob du dafür ein LLM einsetzt oder besser selbst den Hörer in die Hand nimmst.
Abschluss und Einladung zur Reflexion
Jobs-to-be-done verwandeln Gespräche in Bewegungsrichtungen. Wenn du magst, frag dich doch einmal selbst: In welchem deiner nächsten Gespräche möchtest du nicht nur sprechen, sondern wirklich etwas in Bewegung setzen? JTBD geben dir ein inneres Koordinatensystem, um dich im Alltagsrauschen nicht zu verlieren – und sie helfen dir, mit KI und ohne KI Gespräche zu führen, die Menschen berühren, motivieren und voranbringen.
Kapitel 4: Der neue KI-Kollege – Denk dich frei von deinen bisherigen Grenzen
Wenn Denken weiter reicht als Kapazität
Stell dir vor, du bekommst einen neuen Kollegen ins Team – jemand, der rund um die Uhr verfügbar ist, nie müde wird, keine Pausen braucht, komplexe Datenmengen in Sekundenschnelle verarbeitet und mit beeindruckender Ruhe immer dann zur Stelle ist, wenn du ihn brauchst. Willkommen in der Welt der generativen KI. In meinem Artikel „Dein KI-Praktikant, der immer lernt“ zeige ich dir, wie du dir selbst einen solchen Assistenten erschaffen kannst – Schritt für Schritt, praxisnah und direkt nutzbar.
Doch dieser Kollege hat eine Besonderheit: Er wartet darauf, dass du ihm sagst, was er tun soll. Zum Beispiel: „Du bist mein Recherche-Assistent – fasse mir jeden Morgen die fünf wichtigsten Entwicklungen meiner Branche zusammen, inklusive Quellen.“ Oder: „Du bist mein Verkaufs-Coach – hilf mir, ein Kundengespräch vorzubereiten, indem du die letzten E-Mails analysierst und passende Gesprächsziele formulierst.“ Und genau hier beginnt ein neues Denken. Es reicht nicht aus, Aufgaben zu delegieren, die du ohnehin nicht gerne machst. Die viel spannendere Frage ist: Welche Aufgaben sind bislang liegen geblieben, obwohl sie eigentlich entscheidend wären?
Das Gedankenexperiment vom „KI-Kollegen“ lädt dich ein, deine gewohnten Grenzen zu hinterfragen: Welche Aufgabe würdest du sofort abgeben, wenn du wüsstest, dass sie von deinem digitalen Kollegen zuverlässig übernommen wird? Was würdest du tun, wenn du mit deiner jetzigen Kapazität zehnmal so viel schaffen könntest – ohne mehr Energie zu verbrauchen?
Der Blick auf das Unerledigte – und was daraus werden kann
Viele Rollen im Vertrieb, in der Führung oder auch in der Beratung sind von Zeitmangel geprägt. Und genau hier zeigt sich der Wert eines klar formulierten Jobs-to-be-done: Statt sich in Aktivitäten zu verlieren, hilft ein JTBD, den Fokus auf den angestrebten Fortschritt zu richten. Das verschiebt nicht nur Prioritäten, sondern schafft auch die Grundlage dafür, Aufgaben bewusst an eine KI abzugeben – nicht als Entlastung, sondern als gezielte Unterstützung im Sinne eines klaren Kommunikationsziels.
Man weiß, was wichtig wäre – aber es bleibt oft beim Wissen. Marktbeobachtung? Bleibt liegen. Systematische Auswertung von Kundenfeedback? Zu aufwändig. Vorausschauende Gesprächsvorbereitung? Wird im Alltag oft übersprungen.
Und genau hier liegt das Potenzial. Wenn du dir erlaubst, nicht nur Prozesse effizienter zu machen, sondern darüber nachzudenken, welche neuen Tätigkeiten durch KI erst möglich werden, verändert sich dein Blickwinkel. Statt zu fragen: „Was kann ich schneller machen?“, fragst du: „Was konnte ich bisher nie leisten?“
Drei Blue-Ocean-Jobs, die plötzlich möglich sind
In meiner Arbeit mit Teams entstehen dabei oft ganz neue Ideen. Drei Beispiele, die ich immer wieder höre – und die du vielleicht aus deinem eigenen Alltag kennst:
- Kontinuierliche Marktbeobachtung: Ein KI-Modell scannt täglich Hunderte Quellen und identifiziert relevante Veränderungen – vom Führungswechsel beim Kunden bis zum geplanten Standortausbau eines Wettbewerbers.
- Personalisierte Beziehungspflege in Echtzeit: Statt sporadischer Kontaktaufnahme werden Kunden situativ mit genau den Inhalten versorgt, die zu ihrer aktuellen Situation passen.
- Dynamische Angebotsentwicklung: KI generiert Vorschläge auf Basis individueller Kundenbedarfe, Nutzungsmuster und Branchentrends – ganz ohne Standard-PDFs.
Diese neuen Jobs-to-be-done haben alle eines gemeinsam: Sie entstehen nicht aus Optimierung, sondern aus gedanklicher Freiheit – wie frische Trampelpfade im Kopf, die plötzlich sichtbar werden, wenn man aus dem eingefahrenen Straßennetz der Routinen ausbricht.
Vom Gedanken zur Entscheidung – und zur Veränderung
Wenn du in deinem Team über KI sprichst, probiere es doch einmal andersherum: Statt zu fragen, was sie heute tun und wie KI das verbessern kann, frage: Was bleibt immer wieder liegen, obwohl ihr wisst, dass es sinnvoll wäre? Welche Gespräche führt ihr nie, obwohl sie wichtig wären? Welche Fragen stellt niemand, obwohl die Antworten Gold wert wären?
Die Antworten auf diese Fragen sind oft keine Tools – sondern Türen. Und manchmal reicht schon eine kleine Veränderung in der Perspektive, um sie zu öffnen.
Einladung zur Neusortierung
Der KI-Kollege denkt nicht für dich, aber er denkt mit. Welche Entscheidung würdest du heute anders treffen, wenn dir genau dieser Kollege zur Seite stünde? Wenn du dir die Zeit nimmst, deine eigenen Aufgaben mit JTBD neu zu rahmen und in dieses Gedankenexperiment einsteigst, wirst du feststellen: Es geht nicht um Technik, sondern um Haltung.
KI erweitert keine To-do-Liste. Sie eröffnet neue Denk-Räume. Und genau in diesen Räumen beginnt das, was viele Transformation nennen – und was du vielleicht einfach als einen guten nächsten Schritt empfindest.
Kapitel 5: Kommunikation neu denken – Von der Information zur echten Entscheidungshilfe
Warum Information allein nicht reicht
In vielen Unternehmen wird Kommunikation noch immer als Weitergabe von Informationen verstanden: Ein Update hier, ein Protokoll da, eine E-Mail mit drei Anhängen. Doch je mehr Inhalte zur Verfügung stehen, desto dringlicher wird eine neue Frage: Welche Information braucht mein Gegenüber wirklich, um eine gute Entscheidung zu treffen?
Ein Beispiel: Du schickst deinem Kollegen einen ausführlichen Projektbericht, aber was er eigentlich gebraucht hätte, ist eine klare Handlungsempfehlung mit drei konkreten Optionen. Der Informationswert bleibt – die Entscheidungskraft fehlt.
Kommunikation wird zur echten Hilfe, wenn sie Orientierung schafft. Und genau hier zeigt sich die Kraft des First-Principles-Denkens und der Jobs-to-be-done: Statt Inhalte zu sortieren oder zu kürzen, fragen wir zuerst, wozu sie überhaupt gebraucht werden. Was soll durch diese Information möglich werden, das vorher nicht möglich war?
KI als Übersetzerin für Entscheidungsprozesse
Ein GPT kann Texte zusammenfassen, strukturieren oder verständlich umformulieren – aber erst durch dein Kommunikationsziel wird diese Fähigkeit sinnvoll. Du kannst etwa sagen: „Fasse diese fünf Kundenfeedbacks so zusammen, dass ich daraus klare Handlungsempfehlungen für unser Produktteam ableiten kann.“ Oder: „Finde in diesen Mails die drei Signale, die zeigen, ob der Kunde verunsichert oder entscheidungsbereit ist.“
So wird generative KI zum Werkzeug der Reflexion – nicht zum Selbstzweck. Sie hilft dir, Informationen in Entscheidungssituationen einzubetten.
Stell dir vor, du bereitest ein Meeting mit der Geschäftsführung vor: Statt alle verfügbaren Zahlen zu präsentieren, lässt du eine KI gezielt die drei auffälligsten Trends zusammenfassen – verbunden mit einer Einschätzung, welche Entscheidung als nächstes ansteht. So wird aus Informationsfülle ein klarer Handlungsimpuls. Das verändert nicht nur die Art, wie du arbeitest – sondern auch, wie du sprichst.
Kognitive Transformation statt bloßer Reaktion
Wenn wir mit einem KI-Modell arbeiten, passiert mehr als Textverarbeitung. Es entsteht ein Raum, in dem wir bewusster mit Sprache umgehen können. Im Zentrum steht nicht der perfekte Satz, sondern die Wirkung: Was soll der andere verstehen, empfinden oder tun?
In meinem Alltag als Coach und Gesprächsbegleiter arbeite ich mit Menschen daran, ihre Kommunikationsmuster bewusster zu steuern. Und genau hier lassen sich die Prinzipien aus der Arbeit mit GPT übertragen: Wer eine KI gezielt führen kann, kann meist auch Gespräche klarer strukturieren – ein Prinzip, das wir bereits bei den Jobs-to-be-done kennengelernt haben.
Denn sowohl bei KI als auch in der Gesprächsführung geht es darum, mit einem klaren Ziel zu beginnen und daraus Wirkung zu entfalten. Beide verlangen dasselbe: Absicht, Klarheit, Empathie.
Drei Gesprächsformen, die von KI lernen können
- Das vorbereitende Gespräch: Mit KI bereitest du Gesprächsverläufe vor, simulierst Einwände und formulierst überzeugende Erklärungen. Im Alltag wird daraus ein klarer Gesprächseinstieg mit Erwartungsklärung.
- Das dokumentierende Gespräch: Statt lose Notizen helfen KI-gestützte Protokolle dabei, aus dem Gesagten klare Erkenntnisse und nächste Schritte zu extrahieren – das sorgt für Verbindlichkeit.
- Das entwickelnde Gespräch: In Zusammenarbeit mit einem Modell kannst du Gedanken strukturieren, Perspektiven durchspielen und Hypothesen formulieren – ein Gespräch auf Probe, bevor es „echt“ wird.
Stell dir vor, du bereitest ein schwieriges Mitarbeitergespräch vor: Die KI hilft dir dabei, mögliche Reaktionen durchzuspielen, Formulierungen zu verfeinern und eine klare Gesprächsstruktur zu entwerfen. So gewinnst du Sicherheit, bevor du den echten Dialog führst.
Ausblick: Die Kommunikation wird bewusster
In einer Zeit, in der Maschinen Sprache imitieren, wird es entscheidend, wie menschlich wir sie einsetzen. KI bringt keine Menschlichkeit mit – aber sie kann helfen, unsere menschliche Klarheit zu schärfen.
Kommunikation wird dadurch nicht weniger persönlich, sondern reflektierter. Welche Gesprächssituation in deinem Alltag könnte durch diesen bewussteren Umgang mit Sprache einen neuen Verlauf nehmen?
Sie beginnt mit einem Ziel und endet im besten Fall mit einer Entscheidung, die nicht nur logisch, sondern auch stimmig ist. Und genau darin liegt die neue Stärke: Nicht mehr sagen, was du weißt – sondern sagen, was den anderen weiterbringt.
Kapitel 6: Führung durch Klarheit – Wie du mit JTBD Gespräche steuerst, statt Prozesse zu bedienen
Gespräche sind kein Selbstzweck – sie brauchen Richtung
Viele Führungskräfte erleben ihren Alltag als Aneinanderreihung von Gesprächsterminen: Morgens ein Jour fixe mit dem Team, danach ein Abstimmungsgespräch mit der Bereichsleitung, zwischendurch ein spontanes Feedbackgespräch – und am Ende des Tages das Gefühl, viel gesprochen, aber wenig bewegt zu haben. Oft fehlt dabei ein verbindendes Element: der eigentliche Zweck. Was soll durch dieses Gespräch möglich werden?
Hier entfalten die Jobs-to-be-done ihre Führungsstärke. Denn sie helfen dabei, Gespräche nicht als Pflichtformat, sondern als gezielte Intervention zu begreifen. Nicht der Prozess ist das Ziel, sondern der Fortschritt – so wie wir es bereits im Kapitel über Vertrieb und Kommunikation gesehen haben: Entscheidend ist, was sich durch das Gespräch verändern soll, nicht wie sauber es abgearbeitet wird.
Von der Aufgabe zur Absicht: Was du wirklich bewirken willst
Ein klar formulierter JTBD verändert, wie du ein Gespräch betrittst. Stell dir vor, du startest nicht mit dem Satz: „Wir müssen mal über dein Projekt sprechen“, sondern mit: „Ich möchte mit dir herausfinden, was du brauchst, um in der nächsten Phase noch sicherer auftreten zu können.“
Diese Klarheit in der Absicht löst Orientierung aus. Sie macht Gespräche schlanker, zielgerichteter und vor allem wirksamer. JTBD schaffen damit eine Art inneren Kompass für alle Beteiligten.
Gespräche mit Richtung statt Routine
Ein typisches Beispiel: Ein Teammeeting beginnt mit der Frage „Was liegt an?“ und endet mit einem Aktionsplan, den keiner wirklich umsetzt. Ein JTBD-basierter Einstieg wäre: „Lasst uns gemeinsam klären, wo wir aktuell Klarheit brauchen, damit wir als Team handlungsfähig bleiben.“
Wenn Gespräche sich an einem klaren Fortschrittsziel orientieren, entsteht mehr als Abstimmung. Es entsteht Verantwortung. Denn Fortschritt lässt sich nicht delegieren, er muss gestaltet werden.
Guardrails statt Mikromanagement – klare Gespräche statt Kontrolle
JTBD können auch helfen, Gespräche zu strukturieren, ohne sie zu dominieren.
Ein Beispiel: Du gibst einem Mitarbeitenden einen Rahmen mit: „Ziel dieses Termins ist, dass du mit einem realistischen Plan rausgehst, wie du deine Aufgaben priorisieren willst. Ich helfe dir, Optionen zu sortieren.“
Das ist keine Kontrolle, sondern Klarheit. Viele Führungskräfte zögern, weil sie niemanden bevormunden wollen – doch gerade das klare Benennen von Ziel und Rahmen schafft Vertrauen und Orientierung, nicht Druck. Und sie führt dazu, dass Gespräche nicht als Bewertung, sondern als Einladung zur Selbststeuerung empfunden werden.
Führung bedeutet, Gespräche bewusst zu gestalten
Viele Menschen wissen sehr gut, was sie tun – aber sie wissen nicht immer, worüber sie in welchem Moment sprechen sollten. Führung bedeutet auch, diese Gespräche anzubieten, einzuleiten, zu strukturieren – sei es beim Onboarding neuer Mitarbeitender, bei der Klärung eines Konflikts oder im Entwicklungsgespräch vor einer Beförderung. JTBD geben dir dafür das Vokabular und den inneren Rahmen.
Denn wenn du weißt, welchen Fortschritt ein Gespräch ermöglichen soll, entsteht eine neue Qualität: Gespräche werden nicht mehr geführt, um sie geführt zu haben – sie werden geführt, um etwas in Bewegung zu bringen.
Und genau da beginnt Führung mit Wirkung.
Kapitel 7: Ausblick – Nicht „Wie mache ich es besser?“, sondern „Was ist neu möglich?“
Warum neue Fragen zu neuen Möglichkeiten führen
Viele Veränderungsprozesse beginnen mit dem Satz: „Wie können wir das, was wir tun, effizienter machen?“ Diese Frage ist nachvollziehbar – aber sie bleibt in den Bahnen des Bestehenden. Sie richtet den Blick auf Prozesse, die vielleicht längst überholt sind, und auf Routinen, die nur noch aus Gewohnheit bestehen.
Die klügere Frage lautet: Was ist heute möglich, das früher nicht möglich war?
Dieser Perspektivwechsel öffnet Räume. Es geht nicht mehr nur um Verbesserung, sondern um das Erkunden von Potenzial. Um das Neue, das noch keinen Namen hat. Um Ideen, die jenseits der Optimierung liegen.
Fortschritt beginnt mit Richtung, nicht mit Tempo
Ob im Vertrieb, in der Führung oder in der Teamkommunikation – überall verändert sich unsere Vorstellung von Wirkung. Entscheidungen entstehen heute nicht mehr allein durch Information, sondern durch Orientierung und Sinn.
KI ist dabei nicht der Auslöser, aber der Verstärker – wie wir schon im Kapitel über die Zusammenarbeit mit dem „KI-Kollegen“ gesehen haben. Sie fordert uns heraus, unser Denken neu zu sortieren und gezielter mit Sprache und Struktur umzugehen. Statt zu fragen: „Wie optimiere ich diesen Ablauf?“, wird relevanter: „Welchem Ziel dient das überhaupt – und braucht es diesen Ablauf noch?“
Jobs-to-be-done und First-Principles-Denken geben dir dabei einen inneren Kompass. Sie holen dich zurück zum Wesentlichen: zur Absicht, zum Nutzen, zur Wirkung.
Gespräche als Möglichkeitsräume
Wenn Gespräche unter diesem Vorzeichen geführt werden, verändern sie ihr Wesen. Sie sind nicht länger Statusberichte oder Abstimmungen. Sie werden zu Möglichkeitsräumen – Orte, an denen etwas gedacht, erkannt oder angestoßen wird, was vorher nicht sichtbar war.
Ich sehe diesen Wandel regelmäßig in meinen Coachings und Teamprozessen: Wenn Führungskräfte, Vertrieblerinnen oder Projektleitende ihre Gespräche nicht mehr als Pflicht, sondern als Chance begreifen, entsteht eine andere Energie. Mehr Klarheit, mehr Verantwortung – und echte Bewegung. Eine, die von innen getragen ist und nicht von außen verordnet wird.
Einladung zur bewussten Neuausrichtung
Vielleicht hast du beim Lesen gespürt: Es geht hier nicht um Tools. Es geht um Denkweisen. Um den Mut, alte Muster zu hinterfragen – und die Lust, neue Wege zu erkunden.
Welche deiner aktuellen Routinen würdest du überdenken, wenn du dich von der Frage leiten lässt: Was ist heute möglich, das früher nicht möglich war?
Statt dich weiter zu fragen, wie du etwas besser machst, frag dich doch mal: Was willst du eigentlich ermöglichen? Was willst du in Bewegung bringen?
Das ist der Anfang echter Veränderung. Und vielleicht auch der Beginn einer Kommunikation, die ihrer Zeit voraus ist.
Kapitel 8: Zusammenfassung & Reflexion – Was bleibt, wenn wir neu denken
Von der Methode zur Haltung
Wenn du auf die letzten Kapitel zurückblickst, erinnerst du dich vielleicht nicht zuerst an Tools oder Methoden – sondern an eine veränderte Sichtweise. Denn es ging nie nur um Techniken. Nicht um KI-Tools, neue Gesprächsformate oder smarte Meetingstrukturen. Sondern um etwas Tieferes: eine Haltung zur Kommunikation, zur Arbeit und zum Fortschritt.
Jobs-to-be-done (Kapitel 3), First Principles Thinking (Kapitel 2), die Idee vom KI-Kollegen (Kapitel 4) – all das sind keine Methoden zur Optimierung. Es sind Denkmodelle, die dich unterstützen, klarer zu sehen, mutiger zu fragen und konsequenter zu gestalten.
Drei Gedanken, die du mitnehmen kannst
- Kommunikation ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Werkzeug, das immer in Richtung eines Fortschrittsziels zeigen sollte – egal ob im Team, mit Kunden oder im Gespräch mit dir selbst.
- KI ist nicht das Ziel. Sie ist ein Katalysator. Richtig eingesetzt, hilft sie dir nicht, mehr zu tun, sondern das Richtige.
- Führung beginnt mit Klarheit. Wer Gespräche führt, ohne Ziel, verliert Energie. Wer das Ziel kennt – und teilt –, ermöglicht Bewegung.
Was du jetzt tun kannst
Du musst nicht alles umkrempeln. Aber du kannst beginnen, deine Gespräche bewusster zu gestalten. Frag dich vor deinem nächsten Termin – sei es ein Feedbackgespräch, ein Kundentermin oder ein Teammeeting: Was soll danach möglich sein, das vorher nicht möglich war? Das allein kann aus einem Pflichtgespräch ein Wirksamkeitsgespräch machen.
Vielleicht nimmst du dir auch eine Stunde und entwirfst deinen ersten eigenen „KI-Kollegen“ – nicht als Gimmick, sondern als echtes Gegenüber, das dir hilft, zu strukturieren, zu denken, zu sortieren.
Oder du beginnst mit etwas Kleinem: einem neuen Einstieg in ein Teammeeting, einem anderen Frageton, einer klareren Gesprächsabsicht.
Ein letzter Gedanke
Wenn wir Kommunikation neu denken, beginnen wir nicht mit Werkzeugen, sondern mit innerer Haltung. Vielleicht ist das der eigentliche Fortschritt, den wir in dieser Zeit brauchen – nicht schneller zu werden, sondern tiefer zu fragen: Wofür reden wir eigentlich miteinander?
Denn wenn Maschinen immer besser darin werden, Sprache zu imitieren, wird es umso wichtiger, dass wir wieder lernen, mit Sprache wirklich etwas zu meinen.
Und damit beginnt Führung. Wirklich.
Was willst du in Bewegung bringen?